Kassensturz
- Exhibition Text
- bbk Berlin
- 2023
Money was initially created as a neutral medium of exchange in a world based on the division of labor. Over the centuries it has grown into a tool for measuring value, a store of wealth and an object of speculation. Critics see in this development the danger and the culprit of unstable financial systems; moreover, they are concerned about the monopoly character of national currencies or „official money”. Skeptical observers of the financial system are therefore calling for a return to the actual characteristics of money: a mixture of barter system and social network.
To this end, alternatives are being tested and applied worldwide. Models for a more social economy are always accompanied by the desire for greater autonomy.
More and more, artistic practices – parallel to digital developments – are focusing on mechanisms of analog, alternative currencies and accompanying, unusual exchange systems in order to create an economic sphere with autonomous exchange. The most recent edition of documenta, Kassel tested the traditional concept of art, but also the monetary approach to it. It largely followed the principle of lumbung: an Indonesian rice barn, implemented in Kassel as a metaphorical but also practical catalyst of collective resource discovery, in which interdisciplinarity forms the basis and at the same time reflects the indispensability of division of labor and solidarity of a society.
Following the principle of independence – and crediting the technical developments of the Internet – cryptocurrencies are currently establishing themselves as fast as their value is falling. In recent years, the art world in particular has seen potential in them for cutting out middlemen in the sale of artistic goods. For example, tokens exist on so-called digital ledgers (blockchains) that allow artists to actively shape their careers, turning the success of the artist into the currency itself.
At the same time, grievances and imbalances are repeatedly the subject of debate in the works of many artists. Paolo Woods and Gabriele Galimberti, for example, use artistic means to explore and depict the connection between the Panama Papers and the art market. Their works reveal the bizzare world of the “tax heavens” and show the otherwise camera-shy protagonists, including collectors and established gallery owners, in their leisure activities on the Cayman Islands.
The images by photographer Ulrich Wüst, in turn, show sections of banknotes from countries that disintegrated in the course of the upheaval in Eastern Europe and are now members of the European Union. On the outdated banknotes, which have long since escaped today’s capital flows, working for money and the leisure time it allows to shape one’s life appears to be meaningful.
To this end, artistic positions make their own dependence on existing financial systems and stubborn power relations within the art scene the subject of discussion. The artist Michael Riedels, for example, has invented his own currency against the background of artistic autonomy. He publishes e-mail correspondences with his former gallery in the form of bank bills. The resulting graphics, printed in the usual 5- to 500-euro formats on original banknote paper, show the correspondence, the motivation for which was ultimately the sale of artworks. The Austrian multimedia artist Albrecht Ruben thematizes the process of creation of a work of art and its auratization, as well as related logics of presentation and monetarization. His works are testimonies to the system critique of the international art market, as well as the critical examination of the speculative business. In her latest video installation, filmmaker Hito Steyerl plays with the term coined by British economist John Maynard Keynes to describe the influence of human emotions on markets.
The quest for self-governing financing bodies and collective decision-making processes far removed from the regular financial market raises the fundamental question of the extent to which alternative currencies can establish themselves within the art market and how sustainable they are. This must be negotiated against the backdrop of the ideal value of art and the extent to which alternative money flows can be understood as an opportunity to decouple the standard of value through the euro, dollar or yin.
Ursprünglich entstand Geld als neutrales Tauschmittel einer arbeitsteiligen Welt, ist jedoch über die Jahrhunderte zu einem Werkzeug von Wertmaßstab, Vermögensspeicher und Spekulationsobjekt gewachsen. Kritiker:innen sehen in dieser Entwicklung die Gefahr und das Verschulden von instabilen Finanzsystemen, darüber hinaus mache vor allem der Monopolcharakter von Nationalwährungen oder dem „offiziellen Geld“ Sorgen. Skeptische Betrachter:innen des Finanzsystems fordern daher eine Rückbesinnung auf die eigentliche Eigenschaft von Geld: eine Mischung aus Tauschsystem und Sozialem Netzwerk.
Dazu werden weltweit Alternativen erprobt und angewendet. Modelle für ein sozialeres Wirtschaften gehen auch immer mit dem Wunsch nach größerer Autonomie einher.
Immer stärker fokussieren sich künstlerische Praxen – parallel zu den digitalen Entwicklungen – auf Mechanismen von analogen, alternativen Währungen und damit einhergehenden, ungewöhnlichen Tauschsystemen, um eine Wirtschaftssphäre mit autonomem Austausch zu schaffen. Die jüngste Ausgabe der documenta erprobte den traditionellen Kunstbegriff zu eruieren, aber auch den monetären Umgang damit. Sie folgte weitestgehend dem Prinzip von lumbung: eine indonesische Reisscheune, in Kassel umgesetzt als metaphorischer, aber auch praktischer Katalysator des kollektiven Ressourcenfunds, in der Interdisziplinarität die Basis bildet und gleichzeitig die Unabdinglichkeit von Arbeitsteilung und Solidarität einer Gesellschaft widerspiegelt.
Dem Prinzip der Unabhängigkeit gefolgt – und den technischen Entwicklungen des Internets zuzusprechen – etablieren sich derzeit Kryptowährungen genauso schnell wie ihr Wert fällt. Insbesondere die Kunstwelt sah in den vergangenen Jahren Potential zum Ausschalten von Mittelspersonen beim Verkauf von künstlerischen Gütern in ihnen. So existieren beispielsweise Token auf sogenannten digital ledgers (blockchains), die den Werdegang von Künstler:innen aktiv mitgestalten lassen und somit der Erfolg der Kunstschaffenden zur Währung selbst wird.
Gleichzeitig werden Missstände und Schieflagen immer wieder Gegenstand der Auseinandersetzung in Werken vieler Künstler:innen. So wird zum Beispiel von Paolo Woods und Gabriele Galimberti mit künstlerischen Mitteln erarbeitet und dargestellt, in welchem Zusammenhang die Panama-Papers und der Kunstmarkt stehen. Ihre Arbeiten legen die bizzare Welt der Tax Heavens offen und zeigen die sonst so kamerascheuen Akteur:innen, darunter Sammler:innen und etablierte Galerist:innen, in ihren Freizeitaktivitäten auf den Cayman-Inseln.
Die Bilder des Fotografen Ulrich Wüst wiederum zeigen Ausschnitte aus Geldscheinen von Ländern, die sich im Zuge der Umwälzung in Osteuropa auflösten und heutzutage Mitglieder der Europäischen Union sind. Auf den veralteten, den heutigen Kapitalströmungen längst entzogenen Banknoten erscheint das Arbeiten für Geld und die damit ermöglichte Freizeit zur Lebensgestaltung sinnstiftend.
Dazu machen künstlerische Positionen die eigene Abhängigkeit zu bestehenden Finanzsystemen und hartnäckigen Machtverhältnissen innerhalb der Kunstszene zum Thema. So hat der Künstler Michael Riedels vor dem Hintergrund künstlerischer Autonomie seine eigene Währung erfunden. Er veröffentlicht E-Mail-Korrespondenzen mit seiner ehemaligen Galerie in Form von Geldscheinen. Die entstandenen Grafiken, in den gängigen 5- bis 500-Euro-Formaten auf original Notenbankpapier gedruckt, zeigen den Schriftverkehr, dessen Motivation letztlich der Verkauf von Kunstwerken war. Der österreichische Multimedia-Künstler Albrecht Ruben thematisiert den Entstehungsprozess eines Kunstwerks uns seiner Auratisierung, sowie zugehörige Logiken der Präsentation und Monetarisierung. Seine Arbeiten sind Zeugnisse der Systemkritik des internationalen Kunstmarktes, sowie der kritischen Auseinandersetzung mit dem Spekulationsgeschäft. Filmemacherin Hito Steyerl spielt in ihrer jüngsten Videoinstallation mit dem Begriff, den der britische Ökonom John Maynard Keynes prägte, um den Einfluss menschlicher Emotionen auf die Märkte zu beschreiben.
Das Streben nach selbstverwalteten Finanzierungsorganen und kollektiven Entscheidungsprozessen fernab des regulären Finanzmarktes wirft die grundlegende Frage auf, inwiefern sich alternative Währungen innerhalb des Kunstmarktes etablieren können und wie zukunftsfähig sie sind. Dies muss vor dem Hintergrund verhandelt werden, welchen ideellen Wert Kunst hat und inwiefern alternative Geldströme als Chance der Entkopplung des Wertemaßstab durch Euro, Dollar oder Yin verstanden werden können.