AS SWEET AS IT GETS: RICHARD GREEN & PEDRO MORAES

  • Exhibition Text
  • Galerie Bernau, Bernau, GER
  • 2023

The works of Richard Green and Pedro Moraes are discussed, whose supposed ambivalence is formed with the help of time through material transformation towards dependence. Organic processes of decay through metamorphosis are juxtaposed with mechanically supported growth.  

Both artists investigate cycles in their transformative practice, negotiating the destructive impact on delicate systems and exploring frictions between the natural and the artificial. The artists work with reversals, contradictions, and paradoxes. In doing so, the works function as dialogue-oriented tools between objects, systems, and social entanglements. The choice of materials goes hand in hand with personal biographical localizations. In a constant process, the states of their pieces change, up to a radical transformation of form.

Thus, the works of Richard Green – massive sugar sculptures – make use of deconstruction. Modeled after the purpose-driven architecture of the war years, the forms cast from boiled sugar play with the absurdities of man’s orchestrated preservation of life, energy, material, and power. Appearing as a cenotaph, the sculpture biologically degrades over time due to environmental factors until only skeletal steel structures remain or the once very sharp crystalline form smooths and erases itself through decay. They transform into a memorial to the absence of the natural. Usually placed in artificial forests around Berlin, the sculptures become a source of energy and thus a lure for animals and insects. 

In the transfer of the work to the exhibition space, its environment changes, but not its function. The sugar sculpture, visible through the gallery window, attracts visitors into the exhibition space. Sugar, originally a precious rarity, has been transformed from a status symbol into a symbol of overconsumption – and thus into a paradoxical, invisible trap of ourselves. Environmental pollution is the result. In 2021, 1.1 tons of EU waste were exported to non-EU countries. That waste is largely burned in the atmosphere, so further down the cycle, filter systems are needed to clean the air.

The work A-B by Pedro Moraes visualizes precisely that contradictory circulation: in the destruction lies the need and the promise of restoration. Driven by filtering and suction processes of the motor of a vacuum cleaner, particles from the atmosphere are summed on canvas and, in the inversion of the elements that would otherwise be eliminated, become an increasingly dense autonomous imprint of its environment. The filter works in the exhibition space as a translator of what visitors:inside leave in the space and mediates on the canvas. Thus the condition of the work lies in the presence of visitors and their residues – it is downright dependent on them. Within the exhibition context, a kind of commensalism emerges: in the allegorical juxtaposition of conditions, paradoxes and dependencies, the sweet lure of the sugar sculpture is essential for the ‚dust picture‘ to attract visitors and their traces. The volatile, unstable, silently degrading sugar sculpture is enclosed by the rigid air and body sound of the mechanical extraction process of the substances in the atmosphere. 

Synergies spark in the interplay of the works to negotiate how humans impact their environment and deal with advancing damage and self-destructive forces. From surrendering human control to natural processes of reclamation to making visible the invisible dangers, tense interrelationships of ablation and construction, attraction and repulsion, absorption and imprint form. Recognizing the transformative potential of material is more imperative than ever, and processuality the condition of our time.

Besprochen werden die Arbeiten von Richard Green und Pedro Moraes, deren vermeintliche Ambivalenz sich mit Zutun von Zeit durch Materialumwandlung hin zu Dependenz formiert. Dabei werden organische Prozesse des Zerfalls durch Metamorphose mechanisch gestützten Wachstum gegenübergestellt. 

Beide Künstler untersuchen in ihrer transformativen Praxis Kreisläufe, verhandeln den zerstörerischen Einfluss auf empfindliche Systeme und erforschen Reibungen zwischen dem Natürlichen und dem Künstlichen. Sie arbeiten mit Umkehrungen, Widersprüchen und Paradoxien. Dabei fungieren die Werke als dialogorientierte Werkzeuge zwischen Objekten, Systemen und gesellschaftlichen Verflechtungen. Die Wahl der Materialien gehen einher mit persönlichen biografischen Verortungen. Im ständigen Prozess verändern sich die Zustände ihrer Arbeiten, bis hin zu einer radikalen Gestaltumwandlung.

So bedienen sich die Arbeiten von Richard Green  – massive Zuckerskulpturen – der Dekonstruktion. Der zweckgerichteten Architektur der Kriegsjahre nachempfunden, spielen die aus gekochtem Zucker gegossene Formen mit den Absurditäten von vom Menschen inszenierte Erhaltung von Leben, Energie, Material und Macht. Als Kenotaph anmutend, baut sich die Skulptur biologisch durch Umwelteinflüsse mit der Zeit ab, bis lediglich skelettartige Stahlstrukturen bestehen bleiben oder sich die einst sehr scharfe kristalline Form durch den Zerfall glättet und radiert. Sie transformieren sich zu einem Mahnmal für die Abwesenheit des Natürlichen. Die für gewöhnlich in künstlichen Wäldern um Berlin platzierten Skulpturen werden zur Energiequelle und somit zum Lockmittel für Tiere und Insekten.

In der Überführung der Arbeit in den Ausstellungsraum verändert sich zwar ihre Umgebung, jedoch nicht ihre Funktion. Die durch das Schaufenster der Galerie einsehbare Zuckerskulptur lockt Besucher:innen in den Ausstellungsraum. Zucker, ursprünglich eine kostbare Rarität, wurde vom Statussymbol zum Symbol für Überkonsum – und somit zu einer paradoxen, unsichtbaren Falle unser selbst. Umweltbelastungen sind die Folge. Im Jahr 2021 wurden 1,1 Tonnen EU-Müll in Nicht-EU-Länder exportiert. Jene Abfälle werden größtenteils in der Atmosphäre verbrannt, so dass im weiteren Verlauf des Kreislaufs Filtersysteme benötigt werden, um die Luft zu reinigen.

Die Arbeit A-B von Pedro Moraes verbildlicht genau jenen widersprüchlichen Zirkulation: in der Zerstörung liegt die Notwendigkeit und das Versprechen der Wiederherstellung. Angetrieben durch Filter- und Saugvorgänge des Motors eines Staubsaugers werden Partikel aus der Atmosphäre auf Leinwand summiert und in der Umkehrung der sonst zu eliminierenden Elemente zu einem immer dichter werdenden autonomen Abdruck seiner Umwelt. Der Filter arbeitet im Ausstellungsraum als Übersetzer dessen was Besucher:innen im Raum hinterlassen und vermittelt auf die Leinwand. Somit liegt die Bedingung der Arbeit in der Anwesenheit von Besucher_Innen und ihren Rückständen – sie ist regelrecht von jenen abhängig. Innerhalb des Ausstellungskontextes entsteht eine Art Kommensalismus: in der sinnbildlichen Aneinanderreihung von Bedingungen, Paradoxen und Abhängigkeiten ist der süße Lockstoff der Zuckerskulptur für das ‚Staubbild‘ essentiell, um Besucher:innen und ihre Spuren anzuziehen. Die flüchtige, instabile, sich still abbauende Zuckerskulptur wird vom starren Luft- und Körperschall des mechanischen Gewinnungsprozess der Stoffe in der Atmosphäre umschlossen.

Im Zusammenspiel der Arbeiten entfachen sich Synergien, um zu verhandeln, wie Menschen auf ihre Umwelt einwirken und mit vorangeschrittenen Schäden und selbstzerstörerischen Kräften umgehen. Von der Übergabe der menschlichen Kontrolle an natürliche Prozesse der Rückgewinnung bis hin zum sichtbar machen der unsichtbaren Gefahren, bilden sich spannungsgeladene Wechselbeziehungen von Ab – und Aufbau, Anziehung und Abstoßung, Absorption und Abdruck. Das transformative Potential von Material zu erkennen ist unabdinglicher denn je und Prozesshaftigkeit die Bedingung unserer Zeit.